Stellungnahme der Mittelbauinitiative Hamburg: Frist ist und bleibt Frust!

Den wissenschaftlichen Mittelbau stärken! Senat und Hochschulen sind aufgefordert zu handeln!

Aktuell befindet sich Hamburg in einer heißen Phase, in der Veränderungen möglich sind: Der Bürgerschaftswahlkampf ist in vollem Gange. Zeitgleich verhandelt die Behörde für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung (BWFG) mit Hochschulleitungen darüber, wie vom Bund bereitgestellte Mittel aus dem „Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken“ eingesetzt werden sollen. Ein Hauptthema ist dabei die Arbeitssituation des in der Regel prekär und befristet beschäftigten wissenschaftlichen Mittelbaus.

Wir, die Mittelbau Initiative Hamburg, erwarten als Ergebnis der Verhandlungen mehr als nur Lippenbekenntnisse! Wir fordern, dass folgende Punkte Eingang in die gemeinsame Verpflichtungserklärung von Stadt und Hochschulleitungen finden sowie in die künftige Beschäftigungspolitik in Hamburg:

  • Schaffung zusätzlicher und unbefristeter Stellen, insbesondere im wissenschaftlichen Mittelbau (max. 8 LVS Lehrverpflichtung)
  • Festschreibung des Stellenumfangs von Promotionsstellen auf 100 Prozent (dabei 50% der Zeit für die Qualifikation) mit angemessenen Vertragslaufzeiten (z.B. 6 Jahre)
  • sozialversicherungspflichtige Beschäftigung als Regelfall für die Promotion
  • Regelhaft entfristete Beschäftigung für Post-Docs
  • Höhere Entlohnung von Lehraufträgen und Titellehre

Die in der Regel prekäre und befristete Beschäftigungssituation von nicht verbeamteten Wissenschaftlern*innen ist seit Jahren bekannt und zunehmend Gegenstand politischer Diskussionen. Doch statt die Situation zu verändern, wird das Problem verharmlost, etwa vonseiten der Universitätsverwaltungen. Erst kürzlich bekannten sich die Kanzler*innen der deutschen Universitäten in der sogenannten „Bayreuther Erklärung“1 zum bestehenden Beschäftigungssystem, da dieses die Qualifizierung von Fachkräften für „Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung“ garantiere. Doch den Mittelbau als reines Qualifizierungssystem zu sehen, leugnet die tragende Rolle, die er in Forschung, Lehre und in der (Selbst-)Verwaltung einnimmt. So liegt etwa der Anteil an der Lehre, der von angestelltem Mittelbaupersonal und freien Lehrbeauftragten an Hochschulen erbracht wird, bei über 50%, stellenweise sogar bei über zwei Dritteln.2

Des Weiteren arbeiten Promovierende und auch Post-Docs trotz Teilzeitverträgen in der Regel Vollzeit, häufig auch darüber hinaus.3 Hinzu kommen ein durch Studien nachgewiesener extrem hoher Leistungsdruck in der Wissenschaft mit entsprechenden gesundheitlichen Konsequenzen sowie ein enormer Fokus auf Selbstmarketing.

Die tragende Rolle des Mittelbaus für die Wissenschaft steht in deutlichem Missverhältnis zu den Arbeitsbedingungen. Weniger als 15% der Beschäftigten hat eine unbefristete Vollzeitstelle.4 Die Regel sind kurze Laufzeiten und „Kettenverträge“, die strukturierte Forschungsprozesse und Lehrbetreuung unmöglich machen, die Prekarisierung und Abhängigkeit von Vorgesetzten und Geldgeberinnen verstärken sowie Konkurrenzkampf unter den Mitarbeitenden statt Kooperation schaffen.

Der Hamburger Senat preist immer wieder den Wissenschaftsstandort Hamburg an und brüstet sich mit der hohen Qualität der Lehre und der Forschung in der Hansestadt. Wir sagen: Gute Lehre und Forschung nur unter fairen Arbeitsbedingungen! Es liegt nun an der BWFG, namentlich an Senatorin Katharina Fegebank und Staatsrätin Eva Gümbel, sowie den Hochschulleitungen Hamburg wirklich zu einem Vorreiter zu machen und gute Bedingungen für „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ zu schaffen.

Wir erklären uns außerdem solidarisch mit der Kampagne TV Stud und fordern die Aufnahme von Tarifverhandlungen mit den studentischen Beschäftigten zur Umsetzung eines Tarifvertrages. Zudem sind wir solidarisch mit allen Beschäftigungsgruppen im Wissenschaftsbetrieb und fordern auch hier angemessene und entfristete Stellen, die ein gutes Leben in Hamburg ermöglichen.

Mittelbau Initiative Hamburg
Hamburg, 28. November 2019

Die Mittelbau Initiative Hamburg ­– ein Zusammenschluss von Menschen, die in der Wissenschaft arbeiten, lehren und forschen – setzt sich ein für bessere Arbeitsbedingungen an Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Sie ist Teil des bundesweiten Netzwerks für Gute Arbeit in der Wissenschaft (NGAWiss), das zusammen mit Gewerkschaften die Kampagne „Frist ist Frust“ ins Leben gerufen hat.

1 Siehe: https://www.uni-kanzler.de/fileadmin/user_upload/05_Publikationen/2017_-_2010/20190919_Bayreuther_Erklaerung_der_Universitaetskanzler_final.pdf_2010/20190919_Bayreuther_Erklaerung_der_Universitaetskanzler_final.pdf

2 Der Lehranteil der Professor*innen lag schon 2014 bei nur noch 40%, stellenweise unter einem Drittel. Quelle: Bloch, Roland et al. (2014): Wer lehrt warum? Strukturen und Akteure der akademischen Lehre an deutschen Hochschulen, Leipzig: Akademische Verlagsanstalt, S. 51.

3 Konsortium Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs (2017): Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs, S. 140.

4 Statistisches Bundesamt (2018): Hochschulen auf einen Blick, S. 32.

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